Diabetes mellitus und das Diabetische Fußsyndrom: Wichtige Grundlagen für die podologische Praxis
Diabetes mellitus ist eine komplexe und weit verbreitete Stoffwechselerkrankung, die das Risiko für schwerwiegende Komplikationen erhöht – unter anderem an den Füßen. Ein fundiertes Verständnis dieser Krankheit und ihrer Auswirkungen ist für professionelle Fußpfleger wichtig, um Diabetes-Patienten optimal versorgen zu können.
Überblick: Diabetes mellitus
Typ-1-Diabetes
Typ-2-Diabetes
Andere Diabetesformen
Folgen des Diabetes mellitus
Diabetes mellitus führt langfristig zu physiologischen Veränderungen, die das Risiko für eine Vielzahl von Begleiterkrankungen erhöhen:Diabetische Angiopathie
Erhöhte Blutzuckerwerte führen langfristig zu Schäden an den Blutgefäßen, die als diabetische Angiopathie bezeichnet werden. Dabei wird zwischen einer Makro- und Mikroangiopathie unterschieden. Eine Makroangiopathie betrifft größere Arterien wie die Beinarterien, Herzkranzgefäße und Hirngefäße und erhöht das Risiko für die periphere arterielle Verschlusskrankheit, einen Herzinfarkt und Schlaganfall.7 Die Mikroangiopathie betrifft hingegen insbesondere die kleinen Blutgefäße und erhöht das Risiko für diabetische Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie.7Diabetische Neuropathie
Die diabetische Neuropathie bezeichnet die Nervenschäden, die durch einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel verursacht werden. Insgesamt leidet mehr als ein Drittel der Menschen mit Diabetes unter einer diabetischen Neuropathie.8 Diese lässt sich in zwei Kategorien einteilen. Bei der peripheren Polyneuropathie sind vor allem die Nerven der Extremitäten betroffen, was zu Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Schmerzen in den Füßen und Händen führen kann. Auch bei der Entstehung des Diabetischen Fußsyndroms spielt die periphere Polyneuropathie eine zentrale Rolle. Die autonome Neuropathie betrifft hingegen hauptsächlich Nerven, die die inneren Organe steuern, und kann daher zu Verdauungs-, Blasenfunktions- oder Herzrhythmusstörungen führen.8Diabetesbedingte Veränderungen der Haut
Vier von fünf Diabetes-Patienten haben Hautprobleme, wobei Menschen mit Typ-2-Diabetes häufiger betroffen sind als Menschen mit Typ-1-Diabetes.9 Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel löst verschiedene Stoffwechselprozesse aus, die sich ungünstig auf die Funktion von Haut- und Bindegewebszellen auswirken können. Beide Zelltypen tragen zur Elastizität, zur Widerstandsfähigkeit und zum Schutz der Haut bei.9 Auch die pathologischen Veränderungen der Blutgefäße und Nerven tragen zu den Hautveränderungen bei. Durch die diabetische Neuropathie kann die Funktion der Schweiß- und Talgdrüsen beeinträchtigt werden. Etwa ein Drittel aller Diabetes-Patienten leidet daher unter trockener und juckender Haut.9 Dies spielt insbesondere bei den Füßen eine wesentliche Rolle, denn trockene Fußhaut ist anfälliger für Risse und andere kleine Verletzungen. Bei bestehenden Nervenschäden und einem verminderten Empfindungsvermögen bleiben Verletzungen an den Füßen häufig unbemerkt, sodass sich leicht Wunden bilden können. Durch die verschlechterte Mikrozirkulation wird die Haut zudem nicht ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt, was die Wundheilung verlangsamt und das Risiko für Infektionen erhöht.9 Die regelmäßige Pflege der Fußhaut ist für Diabetes-Patienten daher von großer Bedeutung, um Komplikationen wie z.B. das Diabetische Fußsyndrom vorzubeugen.
Diabetisches Fußsyndrom
Das Diabetische Fußsyndrom ist eine schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus. Es betrifft bis zu 10 % der Diabetes-Patienten und ist eine der Hauptursachen für Amputationen in Deutschland.10 Das Diabetische Fußsyndrom entsteht meist durch eine Kombination aus diabetischer Neuropathie und Angiopathie, die zu Durchblutungsstörungen und einem Verlust des Schmerz-, Druck- und Temperaturempfindens führen. Es kommt zu einer Nähr- und Sauerstoffunterversorgung von Fußarealen und zu Knochenumbauprozessen.10 Hautschädigungen und Verletzungen werden aufgrund der Neuropathien erst spät oder gegebenenfalls gar nicht bemerkt, sodass sich daraus leicht Wunden entwickeln können. Gleichzeitig führen Angiopathien dazu, dass Wunden und Verletzungen schlechter bzw. langsamer abheilen. Dies trägt dazu bei, dass Wunden länger bestehen und das Risiko, dass diese sich infizieren, erhöht wird.
Symptome und Anzeichen des Diabetischen Fußsyndroms
Das Diabetische Fußsyndrom äußert sich durch eine Vielzahl von Symptomen, auf die professionelle Fußpfleger aufmerksam achten sollten:11
- Trockene Haut
- Vermehrte Hornhautbildung, insbesondere an Druckstellen
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Füßen
- Reduziertes Empfindungsvermögen
- Stechende oder brennende Schmerzen in den Füßen
- Fehlstellung von Zehen, z.B. Krallenzehen
- Rötungen oder Schwellungen
- Schlechte Durchblutung der Füße (blasse bis bläuliche Verfärbungen)
- Wunden, Geschwüre und schlecht heilende Verletzungen
Verlauf und Stadien des Diabetischen Fußsyndroms
Im Frühstadium des Diabetischen Fußsyndroms treten häufig erste Hautveränderungen und Sensibilitätsstörungen auf. Im weiteren Verlauf können kleine Risse und oberflächliche Wunden entstehen, die sich ohne entsprechende Behandlung zu schwerwiegenden Ulzerationen und infizierten Wunden entwickeln können. In fortgeschrittenen Stadien kann das Gewebe absterben (Nekrose), was in einigen Fällen Amputationen von Zehen, Füßen oder sogar ganzen Beinen notwendig macht. Zur Einstufung des Diabetischen Fußsyndroms wird oft eine Kombination aus der Wagner- (Stadien 0-5) und Armstrong-Klassifikation (Stadien A-D) herangezogen. Diese berücksichtigen den Schweregrad bzw. die Tiefe der Wunde sowie das Vorliegen von Infektionen und Durchblutungsstörungen (Abb. 1).11
Referenzen
- Steigende Inzidenz. Deutsche Diabetes Gesellschaft zählt neun Millionen Diabetespatienten. ÄrzteZeitung. Stand Januar 2024. Verfügbar unter https://www.aerztezeitung.de/Politik/Fachgesellschaft-zaehlt-mittlerweile-neun-Millionen-Diabetespatienten-446459.html (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. Bundesministerium für Gesundheit. Stand Mai 2024. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/diabetes (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Diabetes Typ 2. Gesund.bund.de. Stand April 2022. Verfügbar unter: https://gesund.bund.de/diabetes-typ-2 (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Von Typen zu Clustern. Diabetes: So funktioniert die Einteilung in fünf Subtypen. ÄrzteZeitung. Stand Juli 2024. Verfügbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Diabetes-So-funktioniert-die-Einteilung-in-fuenf-Subtypen-450695.html (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Schon im ersten Trimester. Frühere Diagnostik des Gestationsdiabetes gefordert. ÄrzteZeitung. Stand Juni 2024. Verfügbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Fruehere-Diagnostik-des-Gestationsdiabetes-gefordert-450634.html (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Gallwitz B. Sekundäre Diabetesformen: Erkennen und zielgerichtet behandeln. Dtsch Arztebl 2019;116(43):23.
- Erkrankungen der Blutgefäße bei Diabetes mellitus (Teil 1). Diabetes-Deutschland.de. Verfügbar unter: https://www.diabetes-deutschland.de/archiv/archiv_2398.htm (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Diabetische Neuropathie und Polyneuropathie. diabinfo. Verfügbar unter: https://www.diabinfo.de/leben/folgeerkrankungen/nerven.html (zuletzt aufgerufen: August 2042).
- Hautkrankheiten bei Diabetes. Diabinfo. Verfügbar unter: https://www.diabinfo.de/leben/folgeerkrankungen/haut.html (zuletzt aufgerufen: August 2024).
- Eckhard M. Diabetisches Fußsyndrom: Amputationen häufig vermeidbar. Dtsch Arzebl 2023;120(19):A-865/B-740.
- Diabetischer Fuß. Pflege.de. Verfügbar unter: https://www.pflege.de/krankheiten/diabetes-mellitus/diabetischer-fuss/ (zuletzt aufgerufen: August 2024).